26. März 2007 Butzbacher Zeitung
Eine Vatersuche mit vielen Turbulenzen
Laienspielschar Ebersgöns begeisterte im Jubiläumsjahr mit „Die Nacht der Nächte“
EBERSGÖNS (dö). Auch im 60. Jahr ihres Bestehens hat die Laienspielschar Ebersgöns nicht ein Jota
an Vitalität und Attraktivität eingebüßt. Ein echter Besuchermagnet sind die fast wie aus dem
richtigen Leben gegriffenen Mundartaufführungen der heimischen Amateurbühne, die ununterbrochen
seit 1947 ihre Stücke aufführt. In Jubiläumsjahr feierte das neunköpfige Ensemble „fröhliche Urständ“
mit der Aufführung des turbulenten Dialektlustspiels „Die Nacht der Nächte“. Die letzte Vorstellung
ging beifallumrauscht am gestrigen Sonntagabend über die Bühne der TSV-Turnhalle. Alle hatten sich
ihre Blumen verdient, auch Souffleuse Corinna Wedemann und das ganze Helferteam.
Einmal wieder sorgte das 2003 mit dem Kulturpreis der Stadt Butzbach ausgezeichnete Bühnenensemble mit
seinem energiereichen Spiel, mit gepfefferten Dialogen, viel lokalem Flair und mit Einsatz des kernigen
und volksnahen dörflichen Dialekts für Heiterkeitsausbrüche, Szenenapplaus und beste Unterhaltung im Saal.
Vorstandsmitglied Norbert Zörb, der für Begrüßung und Ansprache verantwortlich war, hatte nicht zu viel
versprochen. Drei Mitglieder des vereinseigenen Jugendtheaters (Bianca Wedemann, Pascal Rühl, Daniel Schmidt)
wirkten diesmal mit und fügten sich nahtlos ein, ebenso wie der neu hinzugekommene Akteur Ulrich Kröck, der
sich mit einer reifen darstellerischen Leistung für künftige Aufgaben empfahl.
In der „Nacht der Nächte“ geht es um einen einmaligen erotischen Vorfall aus dem Jahre 1985, der sich anlässlich
eines Ausfluges in Hamburg abspielte und nicht ganz ohne Folge blieb. Die Folge des Fehltritts ist heute 22 Jahre
alt, lebt durch schicksalhafte Fügung im oberhessischen Ebersgöns und heißt Marita (Bianca Wedemann). Marita ist
die Adoptivtochter der „Kartenleserin“ Gretchen Fischer (Glorieta Vogel) und immer noch auf der Suche nach ihrem
leiblichen Vater.
Marita will Florian Michel (Pascal Rühl) heiraten, den Sohn von Ilse Michel (Heidelore Althenn) und Egon Michel
(Ulrich Kröck). Dagegen ist auch nichts einzuwenden, wenn da nicht Verwicklungen aufkämen um die ortsansässige
Personalagentur „Leih' dir einen Mann!“. Diese Agentur leiten mehr schlecht als recht Ilse Michel und Anni
Seidenspinner (Annegret Jung). Sie bieten beide unter dem Motto „Ob jung, ob alt, wir haben den Mann für alle Fälle“
ihre bereits angejahrten und in Ehren ergrauten Ehemänner Egon Michel (Ulrich Kröck) und Günter Seidenspinner (Daniel
Schmidt) für Werbeveranstaltungen und „Events“ an, etwa als „Hühnchen“ beim Tag der offenen Tür einer bekannten
Hüttenberger Geflügelfarm oder als „Wiener Würstchen“ bei einer Präsentation einer ebenfalls bekannten Kirch-Gönser
Metzgerei.
Im Angebot der Personalagentur, die dringend auf „Frischfleisch“ angewiesen ist, sind noch ein inzwischen nicht
mehr zu vermittelnder Ladenhüter-Opa und der flotte Junggeselle Dieter (Bernd Schindel), dem als Star der Truppe
die Engagements nur so zufliegen, vor allem von weiblicher Seite. Während die beiden Chefinnen vom großen Leben
träumen, abwechselnd Aufträge annehmen und auf dem Sofa ausruhen, platzt die Kartenleserin Gretchen Fischer
dazwischen. Sie kann nicht gut mit Ilse Michel, ihrer künftigen Mit-Schwiegermutter, und es entfachen sich
temperamentvolle Streitereien um die richtige Hochzeitssuppe und den Austragungsort der Feier.
Da plötzlich erscheint wild gestikulierend der „schöne Detlef“ mit dem Nachnamen Renner (Edgar Tögl), der nachts
einsam in seinem Bettchen liegt und händeringend einen Spielgefährten sucht. Detlef arbeitet in Oberkleen und
kommt daher schon rein geografisch von Ebersgöns aus gesehen „vom anderen Ufer“. Detlefs verzückte Augen fallen
sogleich auf den flotten Dieter, zumal dieser im noblen „Johannes-Heesters-Outfit“ von einem Treff mit den
Niederkleener Landfrauen kommt. Jedoch ist Dieter von den amourösen Avancen seines Geschlechtsgenossen nicht
begeistert („Woas will dann der Kerl vo mier?“) und verbietet sich dessen permanente Tatschereien.
Immerhin gelingt es dem welterfahrenen Detlef („Ich habe schon so manchen Oldie wieder flott gemacht!“),
die Personalagentur ideenreich auf neue erfolgsversprechende Strategien zu bringen. Egon, Günter und Dieter
werden als Trio tüchtig gebucht und wagen ein flottes Tänzchen. Doch Dieter wird auf einmal Gründen ganz
blümerant und der Halskragen eng: Kartenleserin Gretchen Fischer („Die Karten lügen nie!“) gelingt es durch
intensive Seancen, die wahre Identität von Maritas Erzeuger wenigstens halb zu lüften: Zwölf Stunden nach
dem Ja-Wort in der Kirche wird der biologische Vater eines plötzlichen Todes sterben, wenn es zum Vollzug
der Hochzeitsnacht kommt.
Alle geraten in Aufruhr, vor allem der flotte Dieter, dem Übles schwant und der sich auf einmal doch sehr
genau an eine aufregende Liebesnacht in Hamburg und an anatomische Details seiner heißen Zufallspartnerin
(„Sie woar blond unn vollbusig unn hatt e Mottermal offem linke Arschbacke!“) und deren Namen („Renate Müller!“)
erinnern kann. Am Hochzeitstag sitzt alles nach der Feier halbbesoffen in der Schlafstube des frischgetrauten
Paars, um Marita und Florian am Vollzug der Hochzeitsnacht zu hindern. Die Vorhersagen der Kartenleserin soll
auf keinen Fall eintreten.
Doch die dunkle Prophezeihung erfüllt sich doch, nur anders als gedacht: Den Schlag trifft nicht den angsterfüllten
flotten Dieter, der sich schon sorgt, ob es im Himmel auch etwas Ordentliches gegen den Durst gibt, sondern seinen
Kumpel Günter Seidenspinner. Er fällt „stomp im“, wie der Oberhesse sagt, und wird wie ein Maltersack aufs Bett geworfen.
Die gar nicht so traurige Gemahlin Anni würde ihm am liebsten noch einen Tritt verpassen. Bis auf Egon Michel rennt
alles in heilloser Aufregung zur Stube hinaus, nicht ohne dass der schöne Detlef beim flotten Dieter einen letzten
Anmachversuch startet. „Auf stieh off!“ ruft Egon dann der der vermeintlichen Leiche zu und beide Pantoffelhelden holen
zur Gaudi des Publikums den gepackten Koffer raus, um ins Ausland zu verschwinden. Die Gelegenheit war noch nie so günstig.